Exhibition – In Between

Mehraneh Atashi, Shahram Entekhabi, Behrang Samadzadegan, Nasser Teymourpour

Zum ersten Mal wird in Linz eine Ausstellung gezeigt, die sich mit zeitgenössischer iranischer Kunst befasst.

Das Atelierhaus Salzamt hat vier iranische Künstler eingeladen, die entweder in Iran oder in der iranischen Diaspora leben und arbeiten. Fernab von medialen Stigmatisierungen und Negativschlagzeilen, die unser Bild von der islamischen Republik Iran maßgeblich prägen, gestattet die Ausstellung intime und ungewöhnliche Einblicke in aktuelle Diskurse der Künstler selbst.

Die in Linz entstandenen Arbeiten umfassen verschiedene Medien und sind als individuelle Erzählungen zu begreifen.

Mit metaphorischen oder auch unmittelbaren Bildsprachen greifen die Künstler persönliche oder gesellschaftskritische Inhalte auf und verarbeiten Eindrücke ihres Residence-Aufenthaltes in Linz.

In der Ausstellung sind die am Ort entstandenen Exponate älteren Arbeiten gegenübergestellt, die von den Künstlern anderswo und in einem anderen kulturellen Kontext geschaffen wurden.

Durch dieses Konzept wird der Status des „in between“ der zeitgenössischen iranischen Kunst betont, mit dem überkommene Klassifikationsmuster nach Ethnie und Nationalität sowie kulturelle Verortungen in Frage gestellt werden. Die Ausstellung beabsichtigt, die Klischees bezüglich Iran zu zerlegen und die Besucher zu einer Auseinandersetzung anzuregen.

Eröffnung: Mittwoch 9. Mai, 19 Uhr
Ausstellung: 10. Mai – 20. Juni 2012


CC by-nc: Fotos: Cindy Förster

 

Ausstellung


CC by-nc: Fotos: Ulrich Fohler

 

Beschreibungen der ausgestellten Objekte und Installationen:

1 / Shahram Entekhabi und Behrang Samadzadegan

“BETWIXT”
4 Farbfotografien, 2012

Betwixt zeigt beide Künstler in diversen Alltagssituationen. Parallel rauchen sie, sie trinken, telefonieren, essen Eis, warten. Jeder ignoriert den anderen, auch dem/der Betrachter/in bleibt der Blick verweigert. In der Beobachtung tritt wieder das Moment der Langeweile, der Ungeduld hervor. Jegliche Form der Narrativität wird unterbunden. Die Akteure haben dem/der Betrachter/in nichts zu bieten. Der/die Voyeur/in wartet auf eine Antwort. Warum passiert nichts? Durch die stilisierte Form des Verharrens im eigenen Sein wird der Moment des Wartens zu einem absurden Zustand zwischen der Unerträglichkeit des Jetzt und einer ungewissen Zukunft.


2 / Shahram Entekhabi
“RAHRO”
HD Video, 05:44 min, 2012

Der persische Terminus rahro (راهرو) lässt sich mit enger Halle, Durchgang oder Korridor übersetzen. Als rah-bar wird auch der oberste Rechtsgelehrte, die Führungsautorität bzw. der schiitische, geistliche Revolutionsführer bezeichnet. In seiner performativen Videoarbeit versetzt sich der Künstler Shahram Entekhabi in die Rolle eines religiösen Mannes, der durch die engen Gassen der Linzer Altstadt schreitet. Seine Robe, die aus einem Hemd, einer Weste, dem mantelartigen Übergewand (Aba) sowie dem überdimensionierten, auf einen Turban verweisenden, schwarze Hut besteht, verweist direkt auf jene der iranischen Mullahs. Der Künstler erscheint anfangs in dem Arkadengang des Landhauses, eine Art Vogelgezwitscher begleitet ihn, das später von musikalischen Klängen abgelöst wird. Sein Blick ist prüfend, ernst. Dieser Eindruck wird ein weiteres Mal durch den dramatischen Schattenwurf seiner großen Kopfbedeckung unterstrichen. Er setzt sich in Bewegung, schreitet mit langsamen, andächtigen Schritten voran, während er seine ineinander verschränkten Hände vor der Brust hält und seine Daumen dreht. Er hält an und dreht sich mit prüfendem Blick langsam um, als ob irgendjemand oder irgendetwas seine Aufmerksamkeit erregt hätte. Doch erst nach fast drei Minuten begegnen Entekhabi Passanten. Während ihn die meisten ignorieren, drehen sich nur zwei Mädchen verwundert nach ihm um. Zuletzt macht der Künstler vor der Linzer Pestsäule am Hauptplatz halt, wo er mit verschränkten Händen und ernstem Blick verweilt, bis eine junge Frau vor ihn tritt und wieder verschwindet. Mit seiner Maskierung als Mullah und dem performativen Rollenspiel im öffentlichen Raum ruft Entekhabi Irritationen seitens der Linzer Bevölkerung hervor und thematisiert Mechanismen der Abgrenzung und Exklusion.


3 / Shahram Entekhabi und Behrang Samadzadegan
“LIMBO”
Video-Performance, 57:30 min, 2012

Ein Korridor ist ein Zwischenraum, der den Zugang zu anderen öffnet. Am Ende des Korridors steht Limbo. Man betritt ihn, man befindet sich vor der Projektion, zwischen den Akteuren. Das Video stellt vor eine befremdliche Situation, in ihr sind nur die Akteure. Nichts passiert. Man langweilt sich, wartet, stellt Fragen, keine Antwort. Dennoch eine Wende. Es ändert sich die Perspektive. Ich bin nicht mehr bloße/r BeobachterIn, ich stelle Fragen. Fragen über den Prozess, den Sinn, die eigene Existenz. Kümmert es jemanden?


4 / Behrang Samadzadegan
“LOST IN HIGHWAY II”
Video, 2009

Das Video „Lost in Highway II“ von Behrang Samadzadegan zeigt eine scheinbare Performance, deren Akteur einen Gehsteig auf und ab läuft und dabei seine Arme auffällig und betont schlenkern lässt. Allerdings handelt es sich bei dieser Arbeit um keine intentionale und inszenierte künstlerische Aktion, sondern vielmehr um eine zufällige Beobachtung Samadzadegans von seinem Fenster aus, die er mit einer Videokamera aufgezeichnet und festgehalten hat. Die seltsamen Bewegungsabläufe des Mannes generieren durch ihre permanente Wiederholung zum körpersprachlichen Artikulationsmittel und gestischen Ausdruck, die sich von alltäglichen Ordnungsabläufen im öffentlichen Raum abheben. Ein zusätzlicher Effekt ist die Spiegelung dieses eigenwilligen Habitus in der verglasten Gebäudefassade. Die Passanten zeigen sich dennoch unbeeindruckt und gehen ihrer Wege. Das sich von Normen und Konventionen absetzende, widerständige Potenzial, das sich im Körper des Protagonisten manifestiert, steht im klaren Kontrast zu jenen gewöhnlichen Bewegungen der an ihm Vorbeigehenden. Kann das auffällige Armeschlenkern als motorisches Verhalten von psychischen Verarbeitungsprozessen gedeutet werden? Oder setzt der Akteur dieses bewusst und willkürlich ein, um Aufmerksamkeit zu erregen? Pierre Bourdieu zufolge erfüllt der Habitus eine Doppelfunktion: Als Opus operatum (Produkt des Handelns) ist er durch die sozialen Lebensumstände bestimmt und als Modus Operandi (Handlungsweise) Erzeugungsprinzip für die Praxis. Die zum Körper gewordene Sprache visualisiert Denk- und Sichtweisen am menschlichen Körper. Der Habitus durchdringt den Menschen also in jedem Moment seines Daseins, engt seinen Handlungsspielraum ein und lässt zugleich Handlungsmöglichkeiten innerhalb dieses Rahmens zu. Die tatsächliche Bedeutung hinter diesen Bewegungsabläufen bleibt Interpretationen überlassen.


5 / Shahram Entekhabi (mit Vox Nostra)
“NO EXIT”
HD Video, 05:08 min, 2011

No Exit zeigt eine Performance von Shahram Entekabi und dem Ensemle „Vox Nostra“ in der Zionskirche Berlin Mitte. Eine Barriere entsteht, die den/die ZuschauerIn vom Aktionsraum trennt. Das Ensemble ist in Handlungen gefangen, die auf den Prozess des Wartens verweisen.

Das Video wird von zwei Kameras aufgezeichnet. Man bleibt bloße/r BeobachterIn. Ausgeschlossen durch die „parasitäre Architektur“ ist man gezwungen zu warten. Es ist eine stilisierte Form des Wartens auf Erlösung, auf Auflösung ephemerer Mauern, ein Warten auf Inklusion.


6 / Nasser Teymourpour
“Image 1-5”
Installation, 2012

Nasser Teymourpours skulpturale Rauminstallation mit dem Titel „Image 1-5“ nimmt auf das generelle Ausstellungskonzept Bezug und thematisiert die vermeintliche Kluft zwischen „innen“ und „außen“. Die Arbeit besteht aus 4 weiß bemalten Sockeln, die an der Front beschriftet sind und um einen weißen Kreis platziert sind. Die Schriftzüge beschreiben imaginative Figuren, ihre physiognomischen Eigenheiten, Gesten und Aktionen. Während des Leseaktes erlangen die Skulpturen aus verschiedenen Materialien auf unheimliche Art und Weise beinahe reale Präsenz: Es handelt sich um einen Soldaten aus Ton mit einer Kalaschnikow, der mit dem Finger am Abzug darauf wartet, wer zuerst den weißen Kreis betritt. Eine, ihre Genitalien zur Schau stellenden Frau aus rotem Glasfaserstoff, lacht, während sie uriniert. Ein untersetzter goldener Priester sprenkelt mit Weihwasser und bittet um Vergebung. Ein junger, bärtiger Muslim mit einem Koran schleudert einen Stein in Richtung des weißen Kreises. Die figurativen Imaginationen bleiben im Kopf lebendig, während die Podeste jedoch leer sind. Fokus ist der mysteriöse weiße Kreis. Die Besucher sind dazu angehalten, ihre eigene Position innerhalb der Rauminstallation zu reflektieren: Wo stelle ich mich hin? Innerhalb oder außerhalb des weißen Kreises, oder doch „dazwischen“?


7 / Mehraneh Atashi
“RESISTANCE”
5 digitale Farbfotografien, Diasec-Prints, 40×60 cm, 2012

Mehraneh Atashi visualisiert in ihrem Fotozyklus „Resistance” Mechanismen und Strategien der Abwehr, Gegenwehr, Resistenz und der Widerstandsfähigkeit. Wie auch in zahlreichen anderen Arbeiten instrumentalisiert sie dabei ihren eigenen Körper. In den Fotografien bleibt jedoch die eigentliche, identitätsstiftende Referenz, ihr Antlitz, aufgrund einer eigentümlichen Maskerade unkenntlich und verdeckt. So hat die Künstlerin ein rötliches Tuch um ihren Kopf gewickelt und trägt eine Brille mit aufgemalten Augen und eine überdimensionierte Kunststoffnase. In vier der Fotografien befindet sich Atashi in ihrem Atelier im Salzamt, auffällig ist ihre Positionierung vor dem geöffneten Fenster. Dieses markiert einen Durchgang, eine Passage oder Übergangszone zwischen drinnen und draußen. Zudem verwendet sie verschiedene Attribute wie bunte Bälle, ein Jo-Jo, einen Luftballon in Form eines Flugzeugs und ein Schachspiel. Ein anderes Mal sieht man die Künstlerin in einem Plastikball auf dem Wasser in einem Lunapark knien. Das Spektrum an diversen Assoziationen ist breit: Das Spielzeug verweist auf scheinbar harmlose und naive Kindlichkeit, die jedoch zugleich durch die maskulin konnotierte Maskerade aufgehoben wird. Dem Schachbrett hat Atashi ihren Rücken zugekehrt, nur die aufgemalten Augen auf der Brille verfolgen die Spielzüge. Gegen wen oder was richten sich also ihre Widerstandsstrategien? Die Künstlerin meint, gegen die gesamte Kunst und nicht nur die politischen Diskurse in Bezug auf Iran. Die Kraft für die Suche nach einem Weg, ihrer Isolation zu entkommen, findet sie in ihrer eigenen Person, die sie maskiert in ihren Arbeiten „zur Schau stellt“.


8 / Mehraneh Atashi
“UNCERTAINTY PRINCIPLE BALLAD IN 1-53”
HD Video, 08:25 min, 2012

Das Video „Uncertainty Principle Ballad In 1-53“ verweist auf das Motiv des Plakates zur Ausstellung „The State of In Between in Contemporary Iranian Art“. Im Zentrum von Atashis Arbeit steht wiederum ihr Atelierfenster im Salzamt. Man sieht eine Zugschnur mit der zugehörigen Quaste, die in der Mitte des Rollos des Doppelflügelfensters mit 6 Sprossen angebracht ist. Diese bewegt sich wie ein Pendel in langsamen und rhythmischen Bewegungen auf einer Seite des Fensterflügels und verschwindet, sobald sie die mittlere Achse erreicht. Somit wird ein klarer Bezug zum Status des „Dazwischen“ hergestellt. In dem Moment des Übergangs auf die andere Seite lösen sich die Konturen der Zugschnur auf, sie wird unsichtbar und erlangt ihre Form erst im Akt des Zurückschwingens wieder zurück. Ist die Bewegung der Zugschnur als ein von der Künstlerin gesteuerter Versuch zu deuten, von einer auf die andere Seite zu gelangen? Wie lassen sich diese Seiten beschreiben? Wäre das Pendel dann ein metaphorisches Sinnbild für das Scheitern von transkulturellen Prozessen? Fragen wie diese bleiben offen und dem Prinzip der Ungewissheit überlassen. Was bleibt, ist das meditativ anmutende Schwingen des Pendels.


9 / Mehraneh Atashi
“I AND I APPROXIMATELY”
HD Video, 06:38 min, 2012

Annähernd, schätzungsweise und in etwa „ich“. Die eigene Person zwischen der Darstellung der Vergangenheit und möglichen zukünftigen Perspektiven. Das Video „I and I approximately“ zeigt eine inszenierte Situation, in der eine Wahrsagerin versucht, aus den physiognomischen Formen und Linien von Mehraneh Atashis Hand Rückschlüsse über deren künstlerische Karriere zu ziehen. Entgegen den Erwartungen, etwas über das zukünftige Schicksal zu erfahren, beleuchtet die Chirologin die Vergangenheit der Künstlerin näher und lässt somit einen Teil von Atashis Oeuvre Revue passieren. In der Folge werden das Leben, der Erfolg, die Liebe und die Arbeit thematisiert, „love and worklines will always change“, so die Weissagerin. Infolge der eingeblendeten Werkschau konstatiert die Wahrsagerin weiter, „the older you get, the less disciplined you get“, Atashi erscheint plötzlich mit einer Brille und aufgesetzten Plastiknase maskiert. Im Alter von 28-29 findet die Künstlerin neue Materialien und Atashi ist mit einer Trompete zu sehen. Was die Zukunft betrifft, werden 4 große Ereignisse im Abstand von jeweils 2 Jahren in ihrem Leben geschehen und zuletzt heißt es, „the love in the life can´t be switched, these lovelines are always connected to your career.“