Manuela Picallo Gil – Artist in Residence
Für die Residence in Linz plante ich eine Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Frauen* von Das Kollektiv, der Bildungsinitiative von maiz und außerdem das Schreiben eines Kurzkrimis für ein Projekt im öffentlichen Raum. Die Fotoserie 2×20 entstand zuvor in Wien, die in den Krimi eingebunden ist. Gedanken zur Visualisierung konnte ich vertiefen und teils realisieren. Die Atmosphäre des Ateliers motivierte enorm, wodurch ich zeitgleich weitere Projekte konzipierte und teilweise umsetzte.
Zunächst überarbeitete ich den Sound der Installation memento Prunus mahaleb. Der akustische Teil besteht aus Erzählungen verschiedener Personen. Die Stimmen geben der Arbeit Lebendigkeit und teilen Erinnerungen mit Besucher*innen. Zu hören sind Geschichten über Walbersdorf, einst Zentrum der Steinweichsel-Kultivierung in Österreich und besonders jene der Familie des letzten Weichsel-Bauern Erwin Lang in Österreich. Ein einziger Weichsel-Stock ist umkonstruiert, dessen Blätter prägende Momente der Vergangenheit präsentieren. Erwin Lang und weitere Familienmitglieder und Dorfbewohner*innen dieser Zeit sprechen von Arbeit als identitätsstiftend – von Verpflichtungen über Versäumnisse bis hin zu Chancen. Diese Erzählungen begann ich dann in Linz in Form einer Publikation weiterzuverarbeiten.
Währenddessen startete ich ein weiteres auditives Projekt, dessen visueller Teil aus bezeichneten Titelblättern der Boulevardzeitungen oe24 und Heute besteht.
Kooperationen
Durch meine langjährige medienkritische Auseinandersetzung lud mich Radostina Kostadinova zu der Zusammenarbeit mit ihrer Gruppe von Frauen* von Das Kollektiv ein. Dafür sammelte ich wieder zwei Wochen lang die österreichischen Gratiszeitungen. Gemeinsam setzten wir uns reflexiv mit diesen Boulevardzeitungen auseinander, um nicht ausschließlich Verfahrensweise der periodischen Druckmedien, sondern auch eigene Kategorien zu hinterfragen. Analysiert, diskutiert, ausgeschnitten und kontextualisiert haben wir einzelne Textteile und Bildmaterialien. Fragen zu Leerstellen, zur Zielgruppe sowie Autor*innenschaft und Zusammenhänge der einzelnen Zeitungsberichte wurden gestellt und Ansprüche an diese Zeitungen formuliert. Der Fokus lag dabei nicht auf das Gegen, sondern besonders auf das Einstehen für und Fordern von Rechten. Diese Gespräche bzw. Zusammenarbeit waren sehr bereichernd.
Generell habe ich großes Interesse an Kooperationen. Das Projekt „Festival der Platane“ beispielsweise war ein kooperatives Projekt. Im Frühjahr 2022 konzipierte ich das dreitägige Festival, das im Zuge der Veranstaltungsreihe Antimonuments des MUME (museo mexicano) stattfand, ein Projekt von Oscar Cueto. Das „Festival der Platane“ (13. MUME) schlägt einen Paradigmenwechsel in Bezug auf die Denkmalkultur vor und möchte den Diskurs auf die mächtige Platane lenken, die in den 90er-Jahren zum Naturdenkmal ernannt wurde und wie eine gigantische, sich bewegende Blätterwolke hinter dem umstrittenen Denkmal Dr. Karl Luegers wirkt. Bei diesem Projekt standen unterschiedliche Zugänge und Kooperationen mit weiteren Künstler*innen und Besucher*innnen im öffentlichen Raum im Kontext der Friedensthematik im Zentrum. Das „Festival der Platane“ hatte die Begegnung mit Sabrina Kern in Linz zur Folge.
Inspirationen und Auseinandersetzung
In Linz beschäftigte ich mich mit auditiven Projekten im Zusammenhang der Aufarbeitung der NS-Zeit. Die Denkmalkultur beschäftigt auch Sabrina Kern. Gemeinsam mit Mariel Rodriguez arbeitet sie derzeit an der Umsetzung des Mahnmals „5 vor 12. Unerhörter Widerstand“, das Frauen im Widerstand gegen das NS-Regime in Oberösterreich gedenkt. Der Austausch mit ihr war spannend und ermutigte mich, nach Gusen zu fahren und mich mit der NS-Vergangenheit Österreichs auseinanderzusetzen, die in die Gegenwart reicht und auch ein Teil meiner Geschichte ist.
Das auditive Projekt AUDIOWEG GUSEN, konzipiert von Christoph Mayer chm., lässt Stimmen von Zeitzeugen, Täter und Opfer hören. Sie erzählen über einen Ort, der nicht mehr zu sehen ist und sonst unausgesprochen bleiben würde. Denn bis auf das Memorial Gusen, welches durch die Initiative ehemaliger Häftlinge errichtet wurde, erinnert nichts an das ehemalige Konzentrationslager, das nun ein Wohnort ist. Das Projekt empfinde ich als wichtige Aufarbeitung und ist sehr gut umgesetzt.
An einem anderen Tag nutzte ich die Gelegenheit ein verwandtes Projekt zur geschichtlichen Auseinandersetzung mit der Nibelungenbrücke zu erleben, das Verbindung zu Gegenwart schafft. Der Audioweg Steingeschichten von Leo Dressel ist auch online abzuhören.
Die Zeit in Oberösterreich war sehr bereichernd und hat Nachwirkung. All diese Eindrücke, Begegnungen und Erfahrungen schätze ich sehr. Dem Atelier Salzamt bin ich dankbar für diese Zeit und Möglichkeit.