Artist in Residence – Ruth Weigand
Deine Arbeitsschwerpunkte sind Bildhauerei, Fotografie, Zeichnung. Worin liegt für dich die Faszination im jeweiligen Kunstbereich?
Eigentlich arbeite ich schon immer transmedial. Die Charakteristik eines jeden Mediums nutze ich, um ähnliche Fragen mit unterschiedlichen Mitteln zu untersuchen. In meiner Arbeit geht es um die Wahrnehmung von Form, Raum und Bewegung, Tiefe und Fläche. Mich fasziniert der Moment, wo sie nicht mehr linear funktioniert, wo sie kippt, wo Irritationen entstehen. Ich versuche, solche Momente in meinen Arbeiten zu erzeugen. Häufig dient das jeweils gewählte Material als Katalysator, da es sich wie eine eigenwillige technische Barriere zwischen Idee und Umsetzung schiebt, mir ein Stück weit die Kontrolle entzieht und indem ich damit experimentiere, neue, unerwartete Aspekte hinzufügt. Da ich gerne physisch arbeite, bin ich bisher eher auf analoges und weniger auf digitales Material fokussiert. Aber das könnte sich in Zukunft ändern, so habe ich z.B. schon länger die Idee, mit Sound zu arbeiten.
Du hast große Auslandserfahrung. Welche Vorteile hat für dich das internationale Arbeiten?
Einige Male war ich im Ausland, das stimmt. Wir leben in einer globalisierten Welt. Umso wichtiger ist es, dem Anderen leibhaftig zu begegnen, um Vorstellungen und ein besseres Verständnis von anderen Realitäten und Perspektiven zu entwickeln. Ich bin gespannt wie sich die jüngste Entwicklung, die Corona-Pandemie, auswirken wird. Für mich bleibt die reale Fortbewegung und die persönliche Begegnung absolut unersetzlich, aber zu reisen sollte natürlich nicht inflationär werden. Künstlerisch betrachtet sind Residencies immer eine Herausforderung, wie ich finde. Man versucht, in relativ kurzer Zeit ein Projekt oder eine Idee umzusetzen; die technischen Mittel sind häufig begrenzt. Allerdings zwingt das auch dazu, loszulassen, Dinge um- oder neuzudenken. Auch wenn es gut ist, einen Arbeitsaufenthalt mit einer konkreten Idee zu beginnen, wäre das Ziel verfehlt, wenn die Planungen auf Kosten der Offenheit für das Unerwartete gingen. Jedes Mal war es aber für mich so, dass sich innerlich viel in Bewegung gesetzt hat durch die Auseinandersetzung mit dem neuen Ort, einem ungewohnten, dem Alltag enthobenen Rhythmus. Viele Residencies haben sich für mich als sehr nachhaltig und produktiv erwiesen.
Beschreibe bitte die Arbeit an “Other thoughts”.
„Other thoughts“ ist der Arbeitstitel des Projekts, das ich in Linz realisiert habe. Ich hatte eine ähnliche Arbeit wie die geplanten Plastiken in kleinerem Format während meines Studiums realisiert. Es war eine Spielerei, ein Nebenprodukt, das erstaunlicherweise heil aus dem Brennofen gekommen war. Im vorletzten Jahr habe ich mich plötzlich an diese Arbeit erinnert, sie aus meinem Lager gekramt und wollte sie erstmalig ausstellen. Auf dem Weg zum Ausstellungsort ist sie mir zerbrochen. Mein Interesse an dieser älteren Arbeit war also kaum wiedererweckt, als ich sie auch schon nicht mehr anschauen und auf mich wirken lassen konnte. Das hat mich ziemlich geärgert und herausgefordert, mich noch einmal mit dieser Idee und dieser Art der Formgebung zu beschäftigen.
Für die Serie „Other thoughts“ habe ich zunächst sehr viele kleine Entwürfe gemacht. Sie bestanden aus immer gleich langen Strängen desselben Materials, einem ausgewählten Ton, die auf unterschiedliche Weise gebogen und miteinander verbunden wurden. Ich dachte dabei auch daran, wie Sprache mit Hilfe von Schrift, die an sich völlig abstrakt ist und nur aus Linien besteht, visualisiert wird und auf extrem spannende Weise schließlich Bedeutung erzeugt. Diese Arbeiten sind für mich auch wie Buchstaben oder Module einer speziellen Sprache. Die Plastiken sind aber in erster Linie transparente, spielerische und zeichnerische Form- und Bewegungsstudien, die die Charakteristik des gewählten Materials Keramik scheinbar außer Kraft setzen und sich zugleich von ihr prägen lassen.
Je größer eine Plastik, desto komplizierter wird in der Regel die Statik. Diese bestehen aus jeweils 6,40 m langen ca. 40 kg schweren Strängen aus Ton. Die Umsetzung war schon eine technische Herausforderung und ein ziemlicher Kraftakt. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass mein Vorhaben tatsächlich geglückt ist und mit freundlicher Unterstützung des Fachbereichs „Plastische Konzeptionen“ der Kunstuniversität Linz und der zugehörigen Keramikwerkstatt erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Keramik – ein langer Prozess mit fallweise unberechenbarem Ausgang. Wie sind deine Erfahrungen, was schätzt du daran?
Das stimmt! Keramik hat durch die physikalischen Vorgänge im Trocken- und Brennprozess ein wunderbares Eigenleben. Die Unberechenbarkeit ist allerdings für mich nicht immer der angenehmste Faktor, muss ich gestehen. Die Direktheit des Materials, die sich aus der Plastizität ergibt, übt eine Faszination aus, der zeitgenössische KünstlerInnen wieder zunehmend erliegen. Es macht Freude, damit zu arbeiten. Als Werkzeug braucht es erst einmal nur die Hand. Das ist nur vermeintlich klar und einfach. Keramik hat aufgrund der vielen unterschiedlichen existierenden Tonmassen und der Komplexität der keramischen Farben und Glasuren unglaublich viele Gesichter, ein Chamäleon so zu sagen. Dieses Material kann dazu verführen, sich so in den technischen Möglichkeiten und Herausforderungen zu verlieren, dass sie beinahe zum Selbstzweck werden. An dieser Stelle wird es dann zunehmend künstlerisch uninteressant für mich. Auch wenn das Material und der Prozess ein wichtiger Teil der Arbeit ist, da er sie prägt, zählt für mich in erster Linie das Ergebnis. Man kann sagen, dass ich Keramik zurzeit nicht sehr klassisch benutze. So verwende ich häufig keine Glasuren, der Ton wird nicht zur Malfläche und kaschiert, sondern bleibt in seiner Beschaffenheit sichtbar. Die Oberflächen sind glatt, schlicht. Es geht mir mehr um die Plastizität in der Form.
Wie hast du deine Zeit in Linz und im Atelierhaus Salzamt erlebt?
Vom Salzamt habe ich mich freundlich unterstützt gefühlt; ich hatte sehr gute Arbeitsbedingungen. Ein bisschen schade war natürlich, dass wegen der Pandemie weniger KünstlerInnen im Salzamt waren als zu normalen Zeiten. Aber so konnte ich die wenigen Wochen intensiv für meine Arbeit nutzen. Auch wenn ich gerne mehr von Linz und seiner Umgebung gesehen hätte, hatte ich immerhin die Gelegenheit, die Linzer Museen und die Ars Electronica zu besuchen. Insgesamt war es eine sehr gute und produktive Zeit!
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