Julia Smirnova – Artist in Residence

 

Wenn man sich seit vielen Jahren mit künstlerischen Medien beschäftigt, macht man eine Entwicklung durch. Die Kunstbereiche kamen nach und nach. Zuerst kam Fotografie und Audio. Audio-Arbeiten behandle ich wie Fotografie – es sind immer Momentaufnahmen aus dem echten Leben, die unbearbeitet bleiben, und in ihrer Ursprungsform zusammengeschnitten werden. Danach kamen Objekte in meine Arbeit – zu dem Zeitpunkt, als ich das Gefühl hatte, dass ich mit Fotografie an meine Grenzen stoße. Kurz danach kamen die Zeichnungen, in denen ich dasselbe Thema des Intuitiven und Unbewussten verarbeite. Mein Ansatz in allen Bereichen ist ähnlich und kommt ursprünglich aus meiner Beschäftigung mit Fotografie.

Die Bilder finde ich an allen Orten – ob es Provinz oder Großstadt ist. Man muss nur komplett „offen“ und ohne Erwartung auf die Suche gehen, und sich von der Umgebung inspirieren lassen.

In meiner künstlerischen Entwicklung habe ich einen fotografischen Hintergrund. Meine fotografische Praxis besteht daraus, dass ich in einer natürlichen unveränderten Landschaft die Stillleben finde. Zu dem Prozess gehört, dass ich eine Situation so lange beobachte, bis sich ein Bild aus dem Vorgefundenen zusammenfügt. Dabei hilft mir die Intuition, zu verstehen, wann das richtige Bild da ist. Dieser Ansatz beeinflusst meine weitere künstlerische Entwicklung. Seit einigen Jahren arbeite ich an dreidimensionalen Objekten, Zeichnungen und Audio-Stillleben. So wie ich das richtige Bild in der Fotografie suche, häkle an meinen Objekten aus Kupferdraht so lange bis sich die richtige Komposition intuitiv zusammenfügt. Während des Häkelns, versuche ich nach Möglichkeit die Kontrolle aufzugeben, um die entstehende Formen analysieren zu können. Es ähnelt der Analyse der Kontaktbögen bei der Fotografie und gibt mir einen Überblick.

Im Laufe der Zeit habe ich bemerkt, dass die Objekte unabsichtlich fossilähnliche Umrisse annehmen. Das liegt sicherlich an der Natur des Materials und an den Möglichkeiten, die es anbietet. Lässt mich aber auch an den Ursprung der Formen in der Natur denken. Meine Objekte werden nicht manuell verändert – die Form bleibt so, wie sie sich im Prozess bildet.

 

Audio-Arbeiten

Ähnlich wie bei der Fotografie gehe ich bei Audio-Arbeiten vor. Ich sammle Audio-Fragmente in der Stadtlandschaft, die sich zu einem subjektiven Audio-Stillleben zusammenfügen.

Seit einiger Zeit mache ich Audioaufnahmen vom Wasser an verschiedenen Orten und in diversen Situationen mit der Absicht, ein größeres Projekt zu entwickeln.

Das nächste Medium, mit dem ich die Intuition erforsche, sind die Zeichnungen, die ich als „Telefonzeichnungen“ beschreibe. Es sind kleine DIN A5 Skizzen, die an das Thema der Objekte anknüpfen und hauptsächlich unbewusst entstehen, indem ich parallel zum Zeichnen anderen Beschäftigungen wie Zuhören oder Schauen nachgehe. Sie ähneln vom Ansatz den „Kritzeleien“, die manche Menschen während eines Telefonats herstellen, und dadurch immer wieder dasselbe Thema unbewusst bearbeiten.

 

Die Zeit im Atelierhaus Salzamt

Den größten Teil der Zeit in Linz habe ich für das ortsbezogene Arbeiten verwendet. Ich bin fast jeden Tag mit der Kamera und meinem Audio-Aufnahmegerät hinausgegangen. Ursprünglich hatte ich geplant, mich bei Audio-Arbeiten mit Wasser zu beschäftigen. Dabei mische ich gerne Fluss- und Stadtquellen wie Fontäne, die im Februar leider alle unzugänglich sind. Da ich aber meistens spontan arbeite, war mir in erster Linie wichtig, einen subjektiven Eindruck von Linz zu bekommen und sich nicht auf das vorher geplante einzuschränken. Deswegen habe ich viele Stadt- und Situation-Aufnahmen gemacht – wie Straßenbahn, Stimmen, Brücke, Wasser, Natur und Hafen. Ich denke, dass aus dieser Mischung eine spannende Arbeit entstehen kann.

Parallel arbeitete ich an der Draht-Skulptur und Zeichnungen, und ließ mich vom Wasser und der Februar-Stimmung inspirieren. Deswegen entstanden „rauchige“ grau-pastellene Arbeiten.

Der Aufenthalt in Linz ließ mich intensiv mit meiner künstlerischen Weiterentwicklung beschäftigen. Außer, dass man neue Arbeiten erschafft und Material sammelt, hatte ich mich immer wieder gefragt, wie fügen sich die einzelnen Kunstbereiche zu einem Gesamtwerk zusammen.

Ich habe mir eine Ausstellung vorgestellt, und gesehen, was noch fehlen würde. Dadurch kam ich unter anderem auf die Fundobjekte, die ich gesammelt und schwarz-weiß dokumentiert habe. Das war neu, passt aber gleichzeitig gut zu meiner Persönlichkeit des “Sammlers von kleinen Schätzen” – ob es Momente vom echtem Leben oder Reflexionen von Stimmungen sind.

 

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