Youssouf Dara – Artist in Residence
„Das Land der Dogon ist zum Kriegsgebiet geworden“
Youssouf Dara berichtet über die Situation in Mali: „Seit 2012 hat sich der lybische Konflikt über die Arabischen Stämme nach Mali ausgebreitet. Die Touaregs haben sich an den Kämpfen in Nordmali beteiligt. In den letzten Jahren hat sich der Krieg bis ins Zentrum von Mali fortgesetzt. Dadurch wurde auch die traditionell sehr gute Verbindung der Dogon mit den Peul zerstört, die Peul sind Moslems und Viehzüchter, die Dogon Animisten und Ackerbauern. Nun ist es so, dass sich jedes Dorf selbst verteidigt. Wir sind seit 2015 in einem Kriegszustand. Es gibt laufend Kämpfe und Tote.“
2017 wurde auch Youssouf Dara von den Dschihasiten bedroht, er ist Dogon, Animist und Christ und vor allem ist er Bildhauer, „Seit ich mich an der Gestaltung eines Denkmals für den Anführer der Dogon, Youssouf Toloba, beteiligt habe, werde ich von den Dschihadisten gesucht. Menschen aus meiner Umgebung wurden getötet, weil man sie mit mir verwechselt hat.“ Youssouf Dara konnte im Vorjahr vorübergehend mit seiner Familie nach Bamako flüchten. Derzeit lebt seine Familie wieder am Dorf im Kriegsgebiet. Bei seiner Rückkehr wird Youssouf Dara ebenfalls wieder im Dogon-Gebiet leben, wo für ihn als Bildhauer Lebensgefahr besteht.
„Die afrikanischen Frauen sind ein Vorbild für alle! Stolz trotz aller Probleme!“ sagt Youssouf Dara, „Die Frauen haben vielleicht Probleme und sind arm, aber sie sind stolz.“
Kopien der Zeichnung, Auflage 40 Stück, kann man im Lentos Kunstmuseum Linz erwerben.
Lentos Kunstmuseum Linz:
Youssouf Dara (geb.1978 in Koundou Guina, Mali) ist Holzbildhauer und Vertreter der Dogon-Kultur. Aufgrund stark zunehmender bewaffneter Konflikte und terroristischer Handlungen in Mali und im Speziellen in seiner Region Mopti ist er als Künstler auf internationale Ausstellungen und Projekte angewiesen. In den letzten Jahren beteiligte er sich etwa 2014 an der Ausstellung The Neighbors im New Museum (New York, USA) und nahm 2019 an der Triennale Kleinplastik in Fellbach (DE) teil. Zuletzt ist er für die Beteiligung am Projekt Paweł Althamer. Cosmic Order ans LENTOS gekommen.
Daras Zeichnung ist während seines Aufenthalts in Linz entstanden. Sie thematisiert die von ihm bewunderte Einstellung der Frauen seiner Heimat, schwierige Lebenslagen mit Stolz zu meistern. Diese Haltung ist ihm sowohl Vorbild wie auch Auftrag.
„Das Leben in der Dorfgemeinschaft folgt traditionellen Regeln. In jedem Dorf gibt es in zentraler Lage ein Togouna, ein Palaverhaus…“
Auf der Tafel in seinem Atelier hat Youssouf Dara links den Gott der Sonne dargestellt. „Die Dogon sind traditionell Ackerbauern. Zwischen den Kulturpflanzen lassen sie die blanke, dunkle Erde. Die Sonne heizt die Erde auf, Schädlinge, wie die Termiten, verschwinden, können nicht überleben, aber die Kulturpflanzen können wachsen und gedeihen“, erzählt der Künstler, „Rechts ist der Gott der Natur. Er sorgt für den Dünger und das Wachstum der Pflanzen. Die Blätter der Bäume fallen auf den Boden und werden zu Humus, sie machen den Boden fruchtbar. Vielleicht lasse ich mich noch zu weiteren Zeichnungen inspirieren.“ …und das hat er. Ama, dem höchsten Gott der Dogon, wurde noch die Ehre erwiesen.
Youssouf Dara ist Künstler und aus der Kultur der Dogon im Nordosten von Mali. Er erzählt: „Die Dogon Kultur wurde durch ihre Kunstwerke weltbekannt, ihre Masken sind weltberühmt. Bis zum 15. Jhd haben die Schmiede, Masken und Fetische gemacht. Dann haben die Dogon begonnen, Skulpturen zu machen. Die Dogon sind Animisten mit Ansätzen von Christentum und Islam.“
„Künstler haben einen sehr hohen Stellenwert bei den Dogon, aber die Unterstützung durch das Kulturministerium ist gering. Man kann sich nicht entwickeln, Freiheit und finanzielle Unterstützung lassen zu wünschen übrig. Man kann von der Kunst nicht leben, nicht seine Familie und seine Verwandten unterstützen, was bei uns sehr wichtig ist. Das Soziale Leben ist ein Teil des persönlichen Lebens. Wenn mich jemand bittet, eine Maske für eine Zeremonie für ihn zu machen und er kann sie nicht bezahlen, bin ich verpflichtet, sie ihm trotzdem zu schnitzen. Ich muss ihn unterstützen. So bleibt das soziale Gefüge erhalten, das ist wichtig in Afrika.“
Youssouf Dara erzählt über das Leben in der Dogon-Kultur: „Das Leben in der Dorfgemeinschaft folgt traditionellen Regeln. In jedem Dorf gibt es in zentraler Lage ein Togouna, ein Palaverhaus. Es ist ganz niedrig. Man kann darin nicht aufrecht stehen. Jemand, der wütend in einer Diskussion aufstehen würde, würde sich den Kopf anschlagen. Die Raumhöhe sorgt somit für ruhige Diskussionen!“ Youssouf Dara lacht herzlich: „So regelt man die Diskussion und beruhigt die Gemüter. Im Palaverhaus ruhen sich die Männer des Dorfes aus, es gibt Besprechungen, Gäste werden dort empfangen und es dient der Rechtsprechung. Die Männer beobachten die heiratsfähigen Frauen und sehen, ob eine Frau Glück oder Unglück bringt. Sie erkennen das an ihren Bewegungen, an ihrem Gang,“ sagt Youssouf Dara, „Gegenüber befindet sich das Haus für die Frauen, wo sie sich während der Regelblutung fünf Tage aufhalten. Schwangerschaften werden auf diese Weise schnell bekannt. Kinder, die vor einer Dorfheirat gezeugt worden wären, werden so auch bekannt. Das Kind würde niemals wirklich zum Dorf gehören. Durch die Götter, die Geister und die Tradition wird die Gesellschaft geleitet. Der Respekt vor den Göttern ist den Dogon extrem wichtig.“
„Mit einem Blick aus dem Atelierfenster des Salzamtes sah ich die Donau und dachte an Nomo…“
Das Atelier von Youssouf Dara im Salzamt misst ca. 40 m2. An der Wand steht eine schwarze Tafel. Der Künstler hat sie als Tribut an die Götter gestaltet. Er stammt aus der Dogon-Kultur, einer der wichtigsten und größten Ethnien Westafrikas.
Mit den Zeichnungen wollte er den Göttern die Ehre erweisen: „Kurz nachdem ich auf Einladung des Lentos Kunstmuseum nach Linz kam, begann die Covid-19 Krise. Die Götter haben mich bisher behütet, ich wollte Ihnen eine Ehre erweisen.“
Youssouf Dara zeichnete links den Gott der Sonne, dann den Gott der Natur und später Ama, den höchsten Gott der Dogon… und er gestaltete Nomo aus dem ersten Stamm der Linde. „Mit einem Blick aus dem Atelierfenster des Salzamtes sah ich die Donau und dachte an Nomo, den Gott des Wassers. So entstand diese erste Skulptur im Salzamt. Oben ist das Gesicht des Nomo, im unteren Teil ist Nomo mit seiner Art der Gesichtsmaske, er hält sich zum Schutz die Hand vor das Gesicht, also Nomo in Zeiten von Covid-19. Und zwischen den beiden Darstellungen befindet sich eine Schildkröte. Sie ist bei den Dogon die Vermittlerin und Botschafterin zwischen dem Gott des Wassers und den Menschen.“ Youssouf Dara wandelt so mit Kreativität traditionelle Darstellungen der Götterwelt in eigenständige, moderne Kunstwerke um.
„Ich respektiere die Tradition und gehe einen Schritt weiter. Ich überlasse mich meiner Kreativität.“
Es riecht exzellent im Atelier von Youssouf Dara…es riecht nach Holz… zwei kurze Lindenstämme liegen mitten im Atelier von Youssouf Dara im Salzamt. Der Boden ist bedeckt mit Holzschnitzeln und am Ende des Raums in der Nähe der Fenster wartet eine halbfertige Skulptur auf den Künstler. Wenn der Bildhauer arbeitet, hallen die dumpfen Schläge durch das ganze Haus. Man hört und riecht ihn arbeiten.
Das Holz ist noch feucht und weich, leicht zu bearbeiten. Mit einem Lächeln empfängt Youssouf Dara die Besucherin, „Ich genieße es, mit diesem Holz zu arbeiten. Die Linde hat eine außergewöhnliche Konsistenz. Ein herrlicher Geruch entfaltet sich bei der Arbeit.“
Seit Ende Jänner ist der Künstler auf Einladung von Pawel Althamer und dem Lentos Kunstmuseum für die Ausstellung „Cosmic Order“ in Linz. Als prozesshafte Ausstellung, als partizipatives Projekt war die Ausstellung geplant. Die BesucherInnen sollten die Arbeiten direkt miterleben und in die Ausstellung direkt einbezogen sein, im Sinne der Partizipativen Kunst. Doch dann kam der Covid-19 Shut-down und die KünstlerInnen mussten sich zurückziehen. Für Youssouf Dara begann ein extrem ruhige und auf Arbeit konzentrierte Zeit.
Youssouf Dara blickt auf die Lindenstämme und erzählt: „Ich liebe Holz, es ein lebendiger Rohstoff, es trocknet, springt vielleicht. Es hat Äste und Verformungen. Zuhause in Mali würde ich warten bis das Holz ganz trocken ist, bevor ich damit arbeite. Ich respektiere die Form des Holzes und integriere die Wuchsform, die Verästelungen, Biegungen, Verdrehungen in das Werk. Ich gehe in den Wald, klopfe die Stämme ab, damit ich die Qualität erkenne, betrachte die Bäume, respektiere sie somit und fälle sie dann.“
Der Künstler arbeitet mit einer Vielzahl von Holzarten. Es gibt einen großen Reichtum an Holz in Mali, Holz für Masken, wie das leichte Dogo-Holz, Ebenholz, Feige, Karité, Mono, Bois de Neré, Belou, Keyai, Holz für Stühle, für große Figuren und Fetische und das Raisin Sauvage, die wilde Weinrebe, mit der er besonders gerne arbeitet.
Auch seine Werkzeuge macht der Bildhauer selbst: „Ich gehe in den Wald, betrachte die Äste und wähle die Holzstiele aus, die mir gut in der Hand liegen. Beim Schmied lasse ich mir die entsprechenden Metallteile dazu schmieden. Auch hier arbeite ich mit meinen eigenen Werkzeugen.“
Youssouf Dara ist Bildhauer, Künstler, gestaltet aber auch nach Wunsch Fetische in allen Größen, Formen und Holzarten. Fetische können sehr große oder ganz kleine Skulpturen sein. Jedes Dorf, jede Familie, auch einzelne Personen haben eigene Fetische.
Youssouf Dara ist aus der Ethnie der Dogon, die weltbekannt ist für ihre rituellen Holzmasken.
„Eine der bekanntesten Masken ist die Kanaga-Maske, die die Antilope darstellt. Das erste Tier, dem die Dogon in ihrem Gebiet begegnet sind.“ Youssouf Dara zeichnet die Maskenform an seine Ateliertafel und erklärt: „Unten ist der Antilopenkopf und oben der Mensch mit seiner Verbindung zum Himmel und zur Erde.“
Youssouf Dara erzählt von einem Museumsbesuch in den USA: „Viele dieser Werke sind seit Jahrzehnten oder länger in den Museen Europas und der Vereinigten Staaten. Ich habe sie fotografiert und zuhause gezeigt. Es gibt Figuren, die heute gar nicht mehr bei uns bekannt sind. Viel wurde vergessen. Aber die Aufbewahrung in den Museen hat so auch einen Vorteil, sie sind bewahrt, sie bleiben noch für unsere Nachkommen.“
(Interview: Hildegard Griebl-Shehata)
…to be continued…
Virtueller Rundgang durch die Ausstellung „Cosmic Order“: https://www.qapture.at/virtual-museum/lentos-kunstmuseum-linz
Infos zur Ausstellung „Cosmic Order“: https://www.lentos.at/html/de/6072.aspx