Ausstellungskritik in den “Salzburger Nachrichten”

In der Online-Ausgabe der “Salzburger Nachrichten” vom 5. Juli 2012 erschien eine wohlwollende Kritik über die derzeit laufende Ausstellung “In Between“, die der zeitgenössischen iranischen Kunst gewidmet ist.

KULTUR
Neue iranische Kunst aus und in Linz

04.07.2012
Signalwort.


Im Salzamt ist mittels Kunst ein „Zwischenzustand“ von Iran und Oberösterreich zu erleben – Ausstellung „In Between“


Anna Soucek Linz (SN). Die Ausstellung „In Between“ im Linzer Salzamt präsentiert Fotos, Videos und Installationen von vier Künstlerinnen und Künstlern aus dem Iran. Von „Iranischer Kunst“ zu sprechen wäre falsch, wie ein Rundgang mit der Kuratorin und den Künstlern veranschaulicht.

Es gibt keine verschleierten Frauen zu sehen und keinen Mullah, auch keine Moscheen. Schon gar keine Atombombe. Die Ausstellung zeigt künstlerische Arbeiten, die sich einer nationalen Zuschreibung entziehen und sich plakativer Botschaften über den Iran entsagen. Geht es nach dem Entstehungsort, ist es Linzer Kunst. Geht es nach den Inhalten, ist es global lesbare Kunst. Geht es nach den Wohnorten der Urheber, ist es Kunst aus London, Teheran, Berlin und Kuala Lumpur. Auf diese Differenzierung besteht die Kuratorin der Ausstellung, Julia Allerstorfer, die sich in ihrer Dissertation mit iranischer Gegenwartskunst befasst. Mit dem Ausstellungstitel „In Between“ meint sie den Zwischenzustand, in dem die iranische Kunst produziert und rezipiert wird. Sie findet im Iran wie in der Diaspora statt. Es ist eine global produzierte Kunst, die geografisch nicht verortet werden kann. Zwei Männer in der Stadt. Behrang Samadzadegan ist mit seinen Videos, Installationen und Fotos in vielen Ländern in Ausstellungen vertreten, er hat Gastaufenthalte und Arbeitsstipendien im Ausland absolviert, und er ist in Teheran, wo er 1979 geboren wurde, zu Hause. Im Salzamt sind Arbeiten zu sehen, die mit Shahram Entekhabi in Linz entstanden sind. Eine Fotoserie zeigt die beiden Männer an unterschiedlichen Orten der Stadt, in demonstrativ gelangweiltem Nebeneinander, eine Videoinstallationen zeigt die beiden in einem Korridor auf- und abmarschieren.

In den letzten Jahren hat der Kunstmarkt das Label „Iranische Gegenwartskunst“ aufgegriffen. Ist das eine neue Form des Exotismus, des Neo-Orientalismus? Für wen werden Arbeiten produziert, die westliche Sammler kaufen? Bringt die kommerzielle Nachfrage Kunst zutage, die sich über den Iran äußert?

In der Zeit nach den Unruhen 2009 wurde viel Protestkunst gemacht und im Ausland gezeigt. Grün dominierte die Farbpalette. Das Regime und die Machtverhältnisse unverhohlen zu kritisieren, kann sich nur leisten, wer nicht mehr einreisen will. Bei anderen Werken ist die Kritik eine subtilere, unterschwellig und verschlüsselt, sie ist für das westliche Publikum ohne Hintergrundwissen womöglich unlesbar. Unter den Teilnehmern der Ausstellung im Salzamt ist auch der Künstler Nasser Teymourpour. Er hat vier grau gestrichene Sockel aufgestellt, auf denen Plaketten angebracht sind. In knappen Worten wird je eine fiktive Skulptur beschrieben, die auf einen weißen Kreis in der Mitte der Sockel verweist. Es sind unangenehme Konnotationen, man scheut sich daher, den Kreis zu betreten, oder macht es gerade deshalb. Um diesen Zwiespalt, der durch Gedankenbilder entsteht, geht es dem Künstler. Er wolle die Kunst von ihrem Material loslösen, sagt Nasser Teymourpour: „Das bedeutet aber nicht, dass ich auf die materielle Umsetzung einer Idee keinen Wert lege – im Gegenteil. Die Schrifttafeln sind in ihrer Produktion recht kostspielig, denn ich finde, selbst ein einfacher Text verlangt, ernst genommen zu werden. Als billiger Druck hätte das nicht funktioniert.“

Nasser Teymourpour lebt in London. Er sagt, der Iran sei nicht nur sein Herkunftsort, sondern ein Teil seiner Identität. „Ich altere täglich zwei Mal: ein Mal in Teheran und ein Mal dort, wo ich mich aufhalte. Meine Verbindung zur alten Heimat ist stark. Dort zu leben ist für mich aber keine Option.“ Noch nicht, fügt er hinzu. Ausstellung: Zeitgenössische iranische Kunst, Atelierhaus Salzamt, Linz. Bis 15. August.