Anna Schimkat – Artist in Residence

 

 

Der Weg von der (Holz-)Bildhauerei zur Klangkunst/Soundinstallation…

Die Holzbildhauerlehre hat die Grundlage für mein bildnerisches Arbeiten geschaffen. Noch heute profitiere ich von der handwerklichen Ausbildung bei der Konstruktion oder beim Bau meiner Installationen.
Bildhauerei, das Interesse für drei Dimensionen setzt sich in meiner Arbeit fort. Ich bezeichne mich auch heute noch als Bildhauerin. Nur, dass im Laufe der Entwicklung die vierte Dimension, nämlich die Zeit zum Raum noch dazu gekommen ist. Das Hören ist der Sinn, mit dem wir uns im Raum verorten. Nicht nur, dass das Gleichgewichtsorgan im Ohr beheimatet ist, wir verorten unsere Position im Raum auch über den Hörsinn. Wir vermessen (oft ganz unbewusst) die Grenzen des Raumes, in dem wir uns befinden, in dem wir hören, wie groß, weit, hoch, hallig oder trocken der Ort klingt. Während des Studiums an der Bauhaus Universität habe ich mich später gefragt wie kann ich Bilder im Kopf erschaffen, ohne Bilder zu kreieren? Wie kann ich einen Raum, eine Skulptur nur aus Zeit bauen? Im Meisterschülerstudium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden wurde das Verhältnis des Klangs zum Objekt, zur Skulptur, zur Architektur weiter ausgelotet. Über die weitere Beschäftigung mit dem Hörsinn als solchem und dessen neurowissenschaftliche Untersuchungen bin ich immer tiefer in die Wahrnehmung eingedrungen. Im Jahr 2011 hatte ich die Gelegenheit, in Montreal Neurowissenschaftlern zu begegnen, deren Erforschung des Hörweges und des Einflusses des Hörens auf unser Gehirn und unsere Empfindungen mich sehr beeindruckten.  Die Frage, wie wir überhaupt Erfahrungen machen, und das Bewusstsein für dieses Zustandekommen von Erfahrungen zu schärfen, stelle ich mir mit meinen Arbeiten selbst, aber auch dem/r Betrachter*in. Dabei interessiert mich vor allem der alltägliche Klangraum in dem Wir uns aufhalten. Dieser ist mein Instrument, mein Werkzeug, mein Material.

 

Noch einen Schritt weiter geht in Soundcloud “Geräusch als Farbe“…

Für das Klangstück Geräusch als Farbe habe ich mich gefragt, wie würde die Welt aussehen, wenn wir die Geräusche des Alltags als Farben sehen würden?
Ob am Fließband, in der Eisengießerei, im Schnellzug, im Krankenhaus, im Shoppingcenter oder beim Staubsaugen, die alltäglichen akustischen Phänomene, die die „Tonspur“ unseres zivilisatorischen Lebens ausbilden, unterscheiden sich zum einen in das als wertvoll erlebte Hören, etwa bei ausgewählter Musik oder Gesprächen und zum anderen in ein erzwungenes Hören derer Geräusche, die wir zumeist als störend empfinden.
Ich habe Geräusche vor allem aus der Arbeitswelt, das Brummen und Blubbern der Kläranlage in Leipzig, das Klicken der Automaten im VW-Werk in Dresden und das Getöse der Baustelle „BAB A100 – 16. Bauabschnitt: AS Neukölln bis AS Am Treptower Park“ aufgenommen und zu einer Komposition aus Geräusch, Ton und Farbe verbunden. https://www.youtube.com/watch?v=BVJkvSj7VMo
Grundlage für die Farben sind die synästhetischen Zuordnungen des Komponisten Alexander Nikolajewitsch Skrjabin (1872 – 1915, Russland), der einen Farbquintenzirkel entwickelte. Meine Recherche hat ergeben, dass die industrielle, uns umgebende Umwelt in einem C Moll mit C# klingt. C = Rot, Dis/Es = Violett, G = Orange, (C-Moll).  Auch dieses Klangstück wurde als Mehrkanalinstallation räumlich erlebbar und wird als Livekonzert mit Livegeige aufgeführt.

 

Projekt für die Zeit der Residency…

Linz hat mich als Stadt am Fluss interessiert. Beworben habe ich mich damit, eine klangliche Untersuchung der Donau zu machen, um dann mit kleinen auditiven Eingriffen die Hörgewohnheiten der Anrainer zu irritieren und sie zu neuen Sichtweisen anzuregen.
Dazu sind noch weitere Fragen gekommen, so zum Beispiel mache ich mich in Gesprächen mit Menschen, die am und vom Fluss leben auf die Suche nach Wassergeistern und ihren Bezug zur Stadt. Das Donauweibchen, die Undine Sage hat mich gelockt und in ihren Bann gezogen.
Die Unsterblichkeit der Seele, und darauf ist ihr Streben im Sinne mittelalterlichen christlichen Gedankenguts gerichtet, erlangt Undine erst durch die Vermählung mit einem Mann. Das Verhältnis des Wassergeistes Undine zu Männern hat Ingeborg Bachmann in ihrer Erzählung „Undine geht“ als eine Kritik an der heutigen bürgerlichen Gesellschaft beschrieben. Sie unterzieht darin das Geschlechterverhältnis einer bitteren Analyse, die die Domestizierung der Frau durch den Mann vehement anklagt, aber auch nach der Freiheit im Geiste des Mannes verlangt.
Aktuell kann ich eine klangliche Untersuchung der Donau nicht ohne an ihren geografischen Verlauf zu denken, unternehmen. An ihrer Mündung ist die Donau Grenzfluss zwischen Rumänien und der Ukraine, die unter einem schrecklichen Angriffskrieg leidet. Aktuell greifen Kriegsschiffe vom Schwarzen Meer aus die Stadt Odessa unweit des Donaudeltas an.
In einem ersten Arbeitsschritt habe ich auf der Suche nach dem Donauweibchen Unterwasseraufnahmen gemacht. Dagegen stelle ich das zeitgenössische Geschlechterverhältnis, welches in Folge des Ukrainekrieges wieder in Frage gestellt wurde (im Rahmen der Generalmobilmachung dürfen keine Männer zwischen 18 und 60 Jahren aus der Ukraine fliehen und so sind vor allem aktuell Frauen und Kinder auf der Flucht vor der russischen Föderation). Mitschnitte von Nachrichten aus Radio und Fernsehen, die Flucht thematisieren werden mit Unterwasseraufnahmen verquickt und zu einem Klangstück über Gerechtigkeit und Gleichzeitigkeit. Weitere Experimente und der Einbezug des öffentlichen Raumes folgen.

 

Das Wasser als Klangquelle zu nutzen, ist für mich ein logischer Schritt. Der Wind begleitet mich als Klangquelle und Träger von Klängen seit langem. Die Residenz im Atelierhaus Salzamt Linz gibt mir die Möglichkeit, das Element Wasser zu untersuchen, damit zu experimentieren. Der öffentliche Raum hat sich für mich, gerade unter den Auswirkungen der Coronapandemie immer weiter als der Raum kristallisiert, in dem sich Menschen außerhalb von elitären Räumen begegnen und Kunst in gesellschaftlichen Diskursen mitwirken kann.
Klangstücke, die man sich im Konzert oder allein anhören kann dagegen sind Soundskulpturen, Soundlandschaften, denen man sich mit individueller Konzentration beim Hören hingeben kann. Zwischen den zwei Polen Öffentlichkeit und Innerlichkeit bewegt sich auch mein Aufenthalt in Linz.

 

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